Beitrag zur wichtigen Diskussion darüber, ob Kant ein "Rassist" war

Mein kleiner und spontaner Beitrag zur wichtigen Diskussion darüber, ob Kant ein "Rassist" war (nach der Lektüre "Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie" von 1788) - sine ira

Um Kant zu verstehen, muss man wissen, dass er von früh an davon ausgeht, dass der Mensch einen mundus sensibilis und einen mundus intelligibilis bewohnt. Der Mensch ist Natur- und Freiheitswesen. Als Naturwesen unterscheidet uns nichts von einem Tier. So spricht Kant ganz nüchtern.

In der Zeit der Aufklärung entsteht die erste systematische Darstellung der Natur, nämlich bei Carl von Linné (1707-1778). Linné rechnet ganz selbstverständlich den Menschen mit zur Natur. Man muss sehen, dass das z.B. im Vergleich zur Theologie der Zeit ein Fortschritt war, den auch die Forschungen Buffons darstellen, der sich als ein Vorreiter der Evolutionstheorie erweist (auf den Rousseau immer wieder eingeht). Kant bezieht sich mehrfach auf Linné - ganz positiv, denn natürlich betrachtete auch er, wie gesagt, den Menschen als einen Teil der Natur.

Nun geht Kant offenbar davon aus (in jenem Text), dass die "Rassen" - eine Redeform, die er von Linné oder auch von Sömmering, auf den er sich ebenso bezieht, mit Gründen übernehmen kann - eine "gemeinschaftliche Abstammung" haben. Es gebe einen "ursprünglichen Stamm", den Kant sogar (eher postulatorisch) mit einem "ersten Menschenpaar" beginnen lässt. Hinter den "Rassen" und ihren Unterschieden gibt es also "den Menschen".

"Rassen" unterscheiden sich in der "Hautfarbe" und nach "Anlagen", wozu die Hautfarbe gehört, die sich wiederum nach den jeweiligen "Klimaten" bilden. Kant macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass nicht die "Anlagen" dafür sorgen, wo die "Rassen" leben, sondern dass es die "Örter" sind, die für die Ausbildung der "Anlagen" sorgen. Die einzige Stelle, die sich als "rassistisch" in unserem Sinne bezeichnen ließe, ist die Fußnote A 118, in der Kant davon berichtet, dass ein gewisser "Herr Sprengel" gezeigt habe, dass freigelassene Sklaven im nördlichen Klima dazu tendieren, zu "Umtreibern" zu werden, weil sie die "Emsigkeit" zu arbeiten nicht aufwiesen. Doch indem Kant ja sagt, dass es die jeweiligen "Örter" sind, die die "Anlagen" prägen, liegt das Problem eben darin, dass jene Menschen von ihrem ursprünglichen "Ort" und Klima verschleppt wurden.

Meines Erachtens - ich betone das - kommt die Empörung über Kant daher, dass wir den trockenen Ton und die trockene Ansicht schwer begreifen, in dem und der für Kant (und Linné und Sömmering - der sich übrigens über "den Mohren" noch ganz anders als Kant äußert und tatsächlich eine natürlich begründete Vorherrschaft des Europäers behauptet - und Buffon) der Mensch ein "Tier" ist und dass in der Beobachtung eben dann Unterscheidungsmerkmale gefunden worden sind, die eine Systematisierung der verschiedenen Phänotypen des Menschen möglich machen. Dass da bei Linné problematischere Schlüsse zu finden sind über die "vier Rassen", weil er sie mit den vier Temperamenten der antiken Temperamentenlehre erklärt, sei nebenbei auch noch angemerkt.

Etwas anderes, ein anderer Diskurs, beginnt, wenn wir nach Kant "den Menschen" als Wesen der Freiheit betrachten. Diese kommt in den Ausführungen zur "Rasse" schlechthin nicht vor. Denn sie gehört nicht zu dieser Hinsicht.

Peter TrawnyBEITRAG